Fallbeispiel aus der Paarberatung: Nähe finden trotz Angst – Von Sehnsucht zu sicherer Verbundenheit
- irismuelle6
- 16. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Lara und Felix sind seit 2 Jahren zusammen. Lara fühlt sich emotional distanziert, obwohl sie Nähe in der Beziehung will: Umarmungen wirken oft gezwungen, Gespräche bleiben an der Oberfläche, gemeinsame Aktivitäten fallen ihr schwer.
Lara empfindet Frustration, weil sie sich wünscht, dass ihr Partner ihr mehr Nähe zeigt, sie aber nicht weiss, wie sie das Vertrauen für Nähe entwickeln soll.
Felix bemerkt Laras Emotionalität, fühlt sich aber unsicher, wie er wirklich nah an sie herankommt, und reagiert mit Zurückhaltung oder praktischer Lösung statt Nähe.
Kernproblem: Trotz Wunsch nach Nähe bleiben emotionale Öffnungen und körperliche Nähe schwer zugänglich; Muster aus früheren Erfahrungen, Ängsten vor Verletzungen und Unsicherheit darüber, wie Nähe gelingen kann, blockieren Verbindung.

2) Ursachenanalyse (aus therapeutischer Perspektive)
Frühere Bindungserfahrungen: Angst vor Verletzungen führt zu Schutzmechanismen, Nähe wird als riskant erlebt.
Fehlende Nähe-Signale: Beide haben unterschiedliche Bedürfnisse oder Interpretationen von Nähe (z. B. Nähe als Überforderung vs. Nähe als Sicherheit).
Kommunikationsmuster: Vermeidung von Vulnerabilität, Angst vor Ablehnung, Spaltung zwischen Nähe und Freiraum.
Selbstsabotage durch Perfektionismus: „Ich muss perfekt sein, um Nähe zu verdienen“ oder „Ich darf nicht nerven, wenn ich Nähe suche“.
3) Zielsetzung in der Beratung
Lara soll lernen, Nähe als sichere Erfahrung zu erleben und ihre Bedürfnisse konkret zu kommunizieren.
Felix soll passende, behutsame Nähe signalisieren und auf Laras Reaktionen sensibel reagieren lernen.
Entwicklung von kleinen, schrittweisen Nähe-Momenten, die vertrauensfördernd wirken.
Aufarbeiten der traumatischen Erfahrungen oder Verletzungen (sehr wichtiges Thema)
Verbundenheit herstellen.
Aufbau von gemeinsamen Ritualen, die emotionale Verbindung stärken.
4) Interventionen und Schritte (praktische Ansätze)
Schritt 1: Nähe-Anteile benennen
Klare Sprache über Nähebedürfnisse: Umarmungen, Gesprächs-Tiefe, gemeinsames Schweigen, Rituale.
Schritt 2: Berührungssignale und sichere Räume
Gemeinsame Übung: kurze, freiwillige Berührungen (z. B. Hand halten, Schulter anlehnen) in sicherem Rahmen; Pausen bzw. Stoppsignale festlegen.
Schritt 3: Vulnerabilitäts-Übung
Jeder Partner teilt eine kleine, verletzliche Erfahrung in 3–5 Minuten, der andere hört zu, bestätigt und reflektiert, ohne sofort Ratschläge zu geben.
Schritt 4: Nähe-Sprache üben (Ich-Botschaften)
Statt „Du gibst mir nie Nähe“: „Wenn wir uns nahe fühlen, fühle ich mich sicher; könntest du heute Abend eine Umarmung geben, bevor wir schlafen gehen?“
Schritt 5: Nähe-Rituale etablieren
Z. B. 10 Minuten gemeinsamer Abendritual: Blickkontakt, Gespräch über positive Erlebnisse des Tages, dann gemeinsam etwas Ruhiges tun (Tee trinken, Musik hören).
Schritt 6: Umgang mit Verunsicherung
Sicherheitspakt: Bei Überforderung wird eine kurze Pause eingelegt; danach wird das Gespräch fortgeführt, wenn beide bereit sind.
Schritt 7: Reflexion und Fortschrittsfeiern
Wöchentliche kurze Reflexion: Welche Nähe-Momente klappten? Welche Gefühle traten auf? Was möchten sie nächste Woche anders machen?
5) Beispiel-Szene
Lara: „Ich wünsche mir Nähe, aber sobald du mich umarmst, spüre ich Panik, und ich ziehe mich zurück. Es fühlt sich an, als würden meine Gefühle ertrinken.“
Felix: „Danke, dass du das sagst. Es tut mir leid, dass ich dich überfordere. Woran merkst du, dass Nähe zu viel wird, und wie können wir es in kleinen Schritten angehen?“
Lara: „Vielleicht beginne ich mit kurzen Blickkontakten und bleibe bei 2–3 Minuten Körperkontakt; danach schauen wir, wie es sich anfühlt.“
Felix: „In Ordnung. Wir testen das heute Abend – ich halte dich sanft, bis du mir sagst, dass du dich wohl fühlst oder Abstand brauchst."
6) Ergebnisse / Wirkung (nach einigen Wochen)
Deutlich mehr Nähe und emotionale Offenheit zwischen Lara und Felix.
Lara sammelt positive Erfahrungen mit Nähe, wodurch Angst vor Verletzungen abnimmt.
Felix entwickelt mehr Sicherheit im Umgang mit Laras Bedürfnissen und reagiert proaktiv statt vermeidend.
Neue Rituale stabilisieren die Verbindung: kurzes Abendritual zur Nähe, regelmässige kurze Check-ins, offene Ich-Botschaften.
Allgemeines Wohlbefinden steigt: weniger Spannungen im Alltag, mehr Gelassenheit im Dialog.



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